Jugendliebe (Un amour de jeunesse) (2011)
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[imdblive:rating] / 10 |
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Titel | [imdblive:title] | ||
Teaser-Text | [imdblive:tagline] | ||
Genre(s) | [imdblive:genres] | ||
Laufzeit | Jahr | FSK | [imdblive:runtime] min. | [imdblive:year] | [imdblive:certificate] | ||
Regie | Story | [imdblive:directors_nolink] | [imdblive:writers_nolink] | ||
Darsteller | [imdblive:cast_nolink] | ||
Bewertung | [imdblive:rating] ([imdblive:votes] Stimmen) | ||
Im Frühling 1999 verliebt sich die fünfzehnjährige Camille (Lola Créton) in den neunzehnjährigen Sullivan (Sebastian Urzendowsky). Voller Leidenschaft verbringen die beiden zwei Wochen in der Ardeche, schwimmen in den Seen, streiten und lieben sich. Doch der Abschied naht, denn Sullivan möchte unbedingt für ein Jahr nach Südamerika reisen. Nach seiner Abreise bleiben sie per Briefkontakt in Verbindung, doch nach und nach kommen immer weniger Briefe an, bis Camille schließlich nichts mehr von Sullivan hört. |
GOOD!MOVIES |
Frühling 1999. Camille ist 15 Jahre alt, Sullivan 19. Die beiden lieben sich leidenschaftlich, aber Sullivan möchte für ein Jahr nach Südamerika gehen, was Camille verzweifeln lässt. Als der Sommer kommt, verbringen sie zwei Wochen in der Ardèche. Sie schwimmen in den Seen und Flüssen, streiten und lieben sich. Sullivan reist im Herbst ab. Der Winter ist lang für Camille, die ihre Zeit damit verbringt auf seine Briefe zu warten. Briefe, die immer seltener kommen. Bis Camille gar nichts mehr von Sullivan hört. Nach einem Selbstmordversuch liegt Camille im Krankenhaus. Ihre Eltern flehen sie an, das Kapitel Sullivan endlich abzuschließen. Nach einer langen Zeit voll Kummer beginnt sie 2003 mit einem Architekturstudium und verliebt sich in ihren Dozenten Lorenz. Alles scheint perfekt, würde nicht plötzlich Sullivan wieder auftauchen und Camilles Leben durcheinander bringen…
FILMSTARTS |
Im Frühling 1999 verliebt sich die fünfzehnjährige Camille (Lola Créton) in den neunzehnjährigen Sullivan (Sebastian Urzendowsky). Voller Leidenschaft verbringen die beiden zwei Wochen in der Ardeche, schwimmen in den Seen, streiten und lieben sich. Doch der Abschied naht, denn Sullivan möchte unbedingt für ein Jahr nach Südamerika reisen. Nach seiner Abreise bleiben sie per Briefkontakt in Verbindung, doch nach und nach kommen immer weniger Briefe an, bis Camille schließlich nichts mehr von Sullivan hört. In der Verzweiflung versucht sie sich das Leben zu nehmen. Der Selbstmordversuch scheitert und sie erkennt, dass sie ihr Leben von Grund auf neu strukturieren und Sullivan hinter sich lassen muss. Jahre später scheint es ihr gelungen zu sein. Camille studiert Architektur und verliebt sich in den berühmten Architekten Lorenz (Magne Havard Brekke). Die neue Beziehung gibt ihr die ersehnte Struktur und neues Selbstbewusstsein. Weitere Jahre vergehen und mittlerweile ist sie die Assistentin von Lorenz. Doch eines Tages trifft sie zufällig Sullivan wieder. Nach mehreren Treffen erwacht ihre tief verborgene Leidenschaft zu neuem Leben. Während für Sullivan feststeht, dass Camille die Liebe seines Lebens ist, ringt Camille mit ihrem Doppelleben…
Wenn in der Freude junger Liebe bereits das Leid späterer Jahre angelegt ist: Mia Hansen-Løves drittes Werk ist ein Bildungsroman auf Film gebannt.
Sullivan ist fast so schmächtig wie seine Freundin Camille. Mit präzisen, geschmeidigen Bewegungen nimmt er sich, was er will. Er radelt durch Paris, zielstrebig und selbstbewusst, mit zwei Handgriffen bedient er den Kondomautomaten. Spielerisch, aber bestimmt zieht er die Decke von ihrem nackten Körper, neckt sie, dominiert das Balzritual mit leichter Hand. Die Welt gehört ihm, für sie ist er die ganze Welt. Liebe beflügelt, wenn sie frei macht. Für Sullivan (Sebastian Urzendowsky) heißt das, das Studium zu schmeißen und durch Südamerika zu reisen. Camille (Lola Créton) wird zurückbleiben. Die Überwältigung und Umwälzung, die ihre Liebe bedeutet, die stetige Ruhelosigkeit hat Mia Hansen-Løve ganz direkt in ihr Drehbuch eingeschrieben. Sehr kurze Szenen dominieren den Film, gerade der Anfang ist so hastig wie elegant, lässt nie genug Zeit zum Sortieren der Situationen, weder für die Protagonisten noch für den Zuschauer. Kontrolliert und präzise ist ihr Erzählen, die Bilder atmen die Luft einer tief in die architektonische und gesellschaftliche Realität verankerten Geschichte. Gleichzeitig will Un amour de jeunesse abstrakt und metaphorisch sein.
Hansen-Løve setzt ein, wenn der Beginn des Endes der jungen Beziehung bereits eingeläutet wurde. Sie nimmt sich dennoch die Zeit, sie mit all ihren widerstrebenden Elementen zu evozieren. Es sind komplementär wirkende Emotionen von ekstatischer Freude bis zur Verzweiflung, die Camille, deren Perspektive der Film immer mehr einnimmt, durchlebt. Un amour de jeunesse erzählt ein Liebesdrama und auch eine Coming-of-Age-Geschichte, die sich über etwa zehn Jahre erstreckt. Sullivan verschwindet aus den Bildern, Camille wird erwachsen, ohne aber den emotionalen Abgrund aus den Augen zu verlieren. Der Film, der nicht so sehr episodisch wie kontinuierlich Stationen ihres Lebens aneinanderreiht, vereinnahmt für sein zentrales psychologisches Porträt überraschenderweise nicht das Gesicht von Hauptdarstellerin Lola Créton. Im Gegenteil: Bis auf ganz wenige Gefühlsausbrüche bleibt es fast ausnahmslos unbeteiligt und ausdruckslos. Umso stärker ist ihr Umfeld aufgeladen mit Affekten, sind die Geschichte und die Dialoge ganz explizit: Schneestürme in Paris, während sie einen Brief voller überhöhtem Herzschmerz, geflügelten Worten und Liebesbestätigungen liest, dann der leere Briefkasten, wieder und wieder, sie studiert Leibniz, die Südamerikakarte an der Wand kommt runter, eine Hand voll Tabletten, die besorgte Familie zu Besuch am Krankenbett. Was Hansen-Løve ein ums andere Mal gelingt, ist unheimlich ökonomisch zu erzählen, mit großer Klarheit Situationen und Szenen bedeutungsvoll zu montieren und dennoch ausreichend Leerstellen zu lassen, um das Geheimnisvolle ihrer Figuren zu bewahren.
Die Regisseurin, die mit ihrem dritten Film nach Tout est pardonné (2007) und Der Vater meiner Kinder (Le père de mes enfants, 2009) an den großen A-Festivals vorbei im Wettbewerb von Locarno läuft, hat an Souveränität noch zugewonnen, verzichtet allerdings auf eine konzeptionell starke Struktur wie im Vorgänger. Formal ist Un amour de jeunesse durchaus stringent, setzt auf schnörkellose, handlungszentrierte Bilder und auf einen ambitionierten Subplot um Camilles Architektur-Studium, der das Werk filmisch bereichert. Dafür wird es wohl ihr Geheimnis bleiben, warum sie den Film an vielen Stellen mit profaner Informationsvermittlung, wie Handlungsorten und -zeiten, in einem so konkreten Rahmen verortet, der dem Film nichts zu bringen scheint. Schwenk von der gelben U-Bahn, die die Oberbaumbrücke überquert, zum in Stein gemeißelten Schriftzug „Berlin“. Weitere explizite Abstecher sind Dessau (wir fahren am Bauhaus-Gebäude vorbei) und Kopenhagen. In einer Szene wird ein Kalenderblatt abgerissen. Später: Auf einem schnell eingefangenen Notizzettel steht ein Datum. Womöglich könnte sich Hansen-Løve mit solch großer Explizitheit für eine Karriere im fernsehkompatiblen französischen Kino-Mainstream empfehlen. Ihre Filme sind davon weniger weit entfernt, als man angesichts ihres formalen Reichtums, der unaufdringlichen Zärtlichkeit ihrer Erzählung und der Unterdeterminiertheit ihrer Protagonisten denken könnte. Andererseits lässt sich hier vielleicht auch lediglich der Übergang von einer vornehmlich stilistisch-konzeptionellen zu einer größeren erzählerischen Stärke verfolgen, ein Prozess, wie er kürzlich etwa an Alle Anderen (2009) von Maren Ade abzulesen war, hier aber nicht ganz ohne Opfer auskommt. Obwohl man davon ausgehen kann, dass Hansen-Løve künstlerische Freiheit genoss, drängt sich bei Un amour de jeunesse am Schluss der Wunsch nach einen Director’s Cut auf. Das ist wiederum ein doch sehr gutes Omen.
„Gebrochene Herzen, verlorene Föten und jede Menge Paris: Mia Hanson-Love veranstaltet hier eine pubertäre Teenager-Party mit ganz vielen Gästen – und die meisten davon sind irgendwann im zähenflüssig gefüllten Klischeetopf erstickt. Ein Film wie ein Löffel Honig: Viel zu klebrig, viel zu süss.“
„Mia Hansen-Løve, vor zwei Jahren mit ihrem Drama ‚Der Vater meiner Kinder‘ erstmals aufgefallen, hat einen wunderbar zarten Liebesfilm gedreht, der maßgeblich vom Gesicht der Hauptdarstellerin Lola Créton geprägt ist. […] Wer das französische Kino der tiefen Blicke und bedeutungsvollen Worte mag, wer starke, unverbrauchte Darsteller sehen möchte, die am süßen Vogel Jugend auch mal verzweifeln und dann doch ihren eigenen Weg finden, kommt an ‚Un Amour de Jeunesse‘ nicht vorbei. Bewertung: empfehlenswert.“
„Was sich auf der Leinwand abspielt, hat etwas von Éric Rohmer in Bezug auf die Sehnsucht und die namenlose Angst sehr junger Leute: In einer Szene disputieren Camille und ihr Freund über den Film, den sie gesehen haben. Er tut ihn als geschwätzig und selbstgefällig ab; sie hält ihn für schön und tiefgehend. Wir sind nicht in der Lage herauszufinden, um welchen Film es geht. Ich vermute Rohmers Wintermärchen.“
„Mia Hansen-Løve hat sich als eines der glänzendsten Talente des jungen französischen Kinos etabliert. Sie sind nicht so zahlreich, und es gibt noch weniger solche, die auf Anhieb so eingeschätzt werden. Schon der erste Langfilm von Hansen-Løve bot diese beeindruckende Mischung aus Reife, erzählerischer Eleganz, Ehrlichkeit im Ausdruck der Gefühle, die uns seitdem weiter in den Bann zieht. So zum Beispiel mit dieser ‚Jugendliebe‘, die zu Recht so heißt. Der Titel passt zum Film: Er ist klar, direkt, täuscht keine falschen Tatsachen vor.“