Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis (2014) – [UNCUT]

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[imdblive:rating] / 10

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Louis „Lou“ Bloom (Jake Gyllenhaal) ist ein kleiner Gauner und Dieb, der mehr schlecht als recht durch das Zwielicht des Lebens driftet. Alles verändert sich für ihn, als er Zeuge eines schweren Autounfalls wird und mitansieht, wie ein Team von Unfallreportern, angeführt vom bekannten Joe Loder (Bill Paxton) die Autowracks aufnimmt. Als Lou die tödlichen Bilder am nächsten Tag im TV sieht, reift in ihm eine neue Geschäftsidee. Er will selbst als Erster am Unfallort ankommen, um mit seinen Aufnahmen ein gutes Geschäft zu machen…

 

CONCORDE

Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) lebt zurückgezogen in Los Angeles und hält sich mehr schlecht als recht mit kleineren Diebstählen über Wasser. Nach erfolglosem Bemühen um einen anständigen Job, beginnt Lou als freier Kameramann für einen TV-Nachrichtensender zu arbeiten. Sein Spezialgebiet: lokale Verbrechen und Unfälle. Dabei muss er nicht nur möglichst als erster am Tatort sein, je näher und schonungsloser er mit seiner Kamera das Geschehene dokumentiert, desto besser kann er die Bilder verkaufen. Der äußerst ehrgeizige Lou lernt schnell und findet zusehends Gefallen an dem skrupellosen Geschäft der „Nightcrawler“, bei dem jedes gefilmte Verbrechen bares Geld bedeutet und Opfer Mittel zum Zweck werden. Die Nachrichtenchefin Nina (Rene Russo) ist begeistert von dem Einsatz des neuen Freelancers. Doch sie ahnt nicht, wie weit Lou – in seinem Drang nach Anerkennung – bereit ist zu gehen. (Concorde)

 

OFDB

Louis „Lou“ Bloom (Jake Gyllenhaal) ist ein kleiner Gauner und Dieb, der mehr schlecht als recht durch das Zwielicht des Lebens driftet. Alles verändert sich für ihn, als er Zeuge eines schweren Autounfalls wird und mitansieht, wie ein Team von Unfallreportern, angeführt vom bekannten Joe Loder (Bill Paxton) die Autowracks aufnimmt. Als Lou die tödlichen Bilder am nächsten Tag im TV sieht, reift in ihm eine neue Geschäftsidee. Er will selbst als Erster am Unfallort ankommen, um mit seinen Aufnahmen ein gutes Geschäft zu machen. Zwar ist sein Handwerkszeug erst noch minderwertig, aber Lou ist skrupellos und eiskalt und das weiß die Chefin der Frühstücksshow der lokalen TV-Station Nina Romina (Rene Russo) bald durchaus zu schätzen. Als das Geld aber erst in der Kasse klingelt, gibt sich Lou mit normalen Aufnahmen nicht mehr zufrieden, jetzt wird das Material arrangiert und inszeniert…

 

-SPOILERWARNUNG- WIKIPEDIA

Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis (Originaltitel: Nightcrawler) ist ein US-amerikanischer Krimi-Thriller aus dem Jahr 2014. Das Regiedebüt von Dan Gilroy, der auch das Drehbuch schrieb, handelt von einem jungen soziopathischen Mann, der sich in Los Angeles als freier Journalist auf die Suche nach sensationellen Bildern von Unfällen und Verbrechen macht. In den Hauptrollen sind Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Riz Ahmed und Bill Paxton zu sehen. Premiere hatte er am 5. September 2014 beim Toronto International Film Festival. Der deutsche Kinostart war am 13. November 2014.


Handlung:

Louis Bloom, ein Kleinkrimineller, fährt mit seinem rostigen Wagen durch Los Angeles, um Diebstähle zu begehen. Bei einem Autounfall begegnet er einem Kameramann (Nightcrawler), den er um einen Job anzugehen versucht, was dieser aber ablehnt.

In einem Geschäft mit Hehlerware tauscht er daraufhin sein Erbeutetes gegen eine Kamera und ein Funkgerät ein, um Polizeifunk zu hören.

Langsam etabliert er sich als besonders rücksichtsloser und findiger Kameramann, beliefert mit Bildmaterial von Unfällen und Gewalttaten einen erfolglosen Nachrichtensender in Los Angeles, bei dem eine ebenfalls rücksichtslose Journalistin Regie führt. Diese erkennt und fördert sein Talent.

Der Nightcrawler drückt sich stets höflich aus, verliert weder Kontrolle noch Benimm, kann aber als soziopathisch ehrgeiziger Aufsteiger gesehen werden, der sein im Internet angelerntes Management-Wissen stets in Verhandlungen verwendet und von seinem Unternehmen schwadroniert.

Als Praktikanten heuert er einen leichtgläubigen Latino an, der ihn, den Fahrer, durch die Straßen von Los Angeles navigieren soll. Dieser empfindet anfangs Skrupel, verliert diese aber.

Viele Handlungsstränge werden nur angedeutet. So bleibt unklar, ob der Nightcrawler einen Wachmann umbrachte oder nur verletzte, wie die teils erpresste, teils freiwillige sexuelle Beziehung von ihm zur doppelt so alten Journalistin (Rene Russo) aussieht und ob er einen konkurrierenden Kameramann vorsätzlich tötete oder ob er nichts damit zu tun hat.

In einer Nacht gelingt es dem Nightcrawler weit vor der Polizei an einem Tatort eines dreifachen Mordes zu sein. Er erkennt die Täter, hält jedoch deren Identität geheim, um management-like einen möglichst hohen Preis für deren Auslieferung zu erzielen.

So recherchiert er den Wohnort der Täter, wartet dort mit seinem Praktikanten, um diese dann an einen möglichst bild-tauglichen -belebten- Ort zu begleiten und dort ihre Festnahme zu filmen.

Da sein Praktikant versucht, eine deutliche Erhöhung seines Gehalts von ihm zu erpressen und sich außerdem weigert, sich gefährlichen Situationen auszuliefern, sorgt der Nightcrawler dafür, dass einer der Killer seinen Praktikanten tötet.

Schlussendlich endet der Film, indem der Nightcrawler bei der Ausbildung dreier Praktikanten auf die Jagd nach Bildern ins nächtliche Los Angeles fährt. Die Journalistin scheint ihn aufgrund seiner Ruchlosigkeit wirklich zu lieben, die Polizei kann ihm nicht nachweisen, dass er durch das Zurückhalten von Informationen den Tod einiger Menschen zu verantworten hat, so dass der Film aus Sicht des Nightcrawlers ein Happy End hat.


Rezeption:

Kritik

Der Film erhielt überwiegend positive Kritiken. Bei Metacritic erhielt Nightcrawler einen Metascore von 76/100 basierend auf 45 Rezensionen, bei Rotten Tomatoes waren 95 Prozent der 186 Rezensionen positiv. Zusammenfassend schreibt man dort, der Film biete „durch seine unruhige und visuelle Eleganz“ gepaart mit der „geschmeidigen Darbietung von Jake Gyllenhaal einen düsteren, zum Nachdenken anregenden Nervenkitzel“.

 


 

5 Kommentare

  • Cowabunga: Er überschreitet alle Grenzen: Jake Gyllenhaal zeigt neue, dunkle Seiten in einem atemlosen Thriller!

  • Porträt eines Soziopathen

    Wenn morgens die Nachrichten über die Mattscheibe laufen und die Schockmomente der vergangenen Nacht Revue passieren, dann muss schließlich jemand das Bildmaterial dazu liefern. Ein Nightcrawler, ein Mensch also, der die ganze Nacht unterwegs ist, den Polizeifunk abhört und dann mit der Kamera drauf hält, wenn Mord- oder Unfallopfer zu betrachten sind.

    Ein solcher Mensch ist Lou Bloom (Jake Gyllenhaal), der als kleiner Gauner anfängt, aber dann seine Berufung findet. Als Dokumentar des Grauens ist er geradezu perfekt, denn ihn plagt kein Gewissen, an ihm nagen keine Zweifel, ihn interessiert nur, was der neueste Tote ihm bringen kann. Lou ist ein waschechter Soziopath, ein Mann, der über keinerlei Gefühl verfügt, der Menschen nur als Objekte sieht, die ihm nutzen oder schaden können, der auch gerne mal nachhilft, wenn die Szenerie nicht so ist, wie er es sich wünscht.

    Nightcrawler ist weniger ein traditioneller Thriller als vielmehr ein in die Tiefe gehendes Psychogramm. Autor und Regisseur Dan Gilroy hat einen Protagonisten entwickelt, mit dem man sich nicht wirklich identifizieren will. Er hat alle Züge eines Soziopathen, er kann nett und charmant sein, ist aber auch manipulativ. Wenn es seinen Zwecken nützt, ist er geradeheraus, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was sein Gegenüber dabei fühlen mag. Solchen Menschen mag man im echten Leben begegnen, dieser Lou Bloom ist aber noch mehr als das. Er lässt alle Regeln von Anstand und Moral hinter sich, bricht Gesetze und ist zu praktisch allem bereit, um Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg aus dem Weg zu räumen.

    Es ist faszinierend, diesem Charakter zuzusehen, aber zugleich ist es auch abstoßend. Denn Lou Bloom ist die Art Mensch, bei der das Gerechtigkeitsempfinden des Zuschauers unter ständiger Attacke steht. Das weiß sich der Film zunutze zu machen, denn er spielt mit der Erwartungshaltung des Publikums. Er weiß, dass man durch hunderte und tausende Filme daran gewöhnt ist, dass jeder am Ende bekommt, was er verdient. Aber das gilt nicht nur für Menschen, das gilt auch für die Gesellschaft als Ganzes. Und eine Gesellschaft, in der Menschen Verletzten nicht helfen, sondern erst mal das Handy zücken, um ein Bild zu machen oder zu filmen, hat einen Menschen wie Lou Bloom verdient. Nightcrawler zeigt die extremen Beispiele dieser Gattung Homo Sapiens, nicht nur am Beispiel des soziopathischen Lou, sondern auch durch seine Kollegen, die auch frei von jeder Scham draufhalten, wenn andere leiden. Hauptsache, der Rubel rollt.

    Gilroys Film prangert das System an. Er zeigt das Nachrichtengeschäft als harte Jagd nach der Quote, bei der blutiger auch immer gleichbedeutend mit mehr Zuschauern ist. Die Heuchelei dieses Geschäfts, die Betroffenheitsmasche, das Missachten von Wahrheiten zugunsten sensationsheischender Panikmache sind alles Elemente, die die Nachrichten durchziehen. Man würde gerne sagen, dass Nightcrawler das überzeichnet, dass der Film schamlos übertreibt, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er im Vergleich zur Realität sogar noch verharmlosend ist.

    Das ist ein wichtiges Element des Films, Kern ist aber natürlich das Eintauchen in Lou Bloom, den man fast schon ab der ersten Einstellung zu verabscheuen beginnt. Jake Gyllenhaal scheint sehr genau studiert zu haben, wie die Stärken und Schwächen eines soziopathischen Charakters ausgeprägt sind, denn er trifft immer auf den Punkt. Man ist gewohnt, in ihm den Sympathieträger zu sehen. Das macht sich der Film zu Nutze, denn Lou kann sympathisch sein, aber nur temporär, bis seine Gefühlskälte wieder übernimmt. Nightcrawler ist ganz und gar Gyllenhaals Film – er liefert eine Darstellung für die Ewigkeit ab. Selten hat man eine fiktive Figur mehr verabscheut als Lou Bloom. Nur selten zuvor hat ein Film eine derart verkommene Gestalt in den Mittelpunkt gerückt. Das macht Nightcrawler nicht gerade zur angenehmen Unterhaltung, aber faszinierend ist er auf jeden Fall. Auf seine eigene, grimmige Art und Weise, an deren Ende eine Erkenntnis steht: Menschen wie Lou Bloom möchte man nicht begegnen, da das heißen würde, dass man gerade den miesesten Tag seines Lebens erlebt.

  • Der Soziopath als Vorzeige-Unternehmer

    Jake Gyllenhaal in seiner nächsten großartigen Rolle: Im Thriller „Nightcrawler“ spielt er einen Kameramann, der sich mit brutalen Methoden nach oben arbeitet.

    Niemand hat die Glaubenssätze des Neoliberalismus so verinnerlicht wie Lou Bloom (Jake Gyllenhaal). Wenn er den Mund aufmacht, fallen lauter Stanzen heraus, die potenzielle Vorgesetzte beeindrucken sollen. Ungetüme wie dieses: „Ich weiß, dass Verbindlichkeit in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr den Wert hat, den frühere Generationen erwarten konnten. Aber ich glaube, dass diejenigen belohnt werden, die sich den Arsch abrackern.“ Lou spricht diese Sätze mit einer solchen Überzeugung, dass einem das Blut in den Adern gefriert.

    Bisher hat es trotzdem nicht geklappt mit der großen Karriere. Lou hielt sich mit kleinen Diebstählen über Wasser. Aber jetzt hat er seine Berufung gefunden. Als Kameramann ist er auf den Straßen von Los Angeles unterwegs und macht Aufnahmen von Verkehrsunfällen, Schießereien, Überfällen. Die verscherbelt er dann an einen lokalen Nachrichtensender. Naja, was man so Nachrichten nennt. Redakteurin Nina (Rene Russo) beschreibt das Portfolio ihres Kanals wie folgt: „Stell’ Dir eine schreiende Frau vor, die eine Straße entlangrennt – mit durchschnittener Kehle.“ Lou ist deshalb so gut in diesem Geschäft, weil er kein Problem damit hat, Grenzen zu überschreiten. Liegt ein Unfallopfer blutend auf der Straße, geht Lou mit seiner Kamera näher heran als alle Kollegen. Und er ist bereit, für das Erklimmen der Karriereleiter immer weiter zu gehen. Denn, noch so ein Glaubenssatz aus der Fibel des freien Marktes: „Menschen, die ganz oben ankommen, landen da nicht zufällig.“

    Nightcrawler ist ein nachtschwarzer Medien-Thriller, der auch deshalb so überzeugt, weil die Zustände, die er zeigt, in den USA längst real existieren. So wie die tendenziöse Berichterstattung vor allem lokaler Medien, bei der Nachrichten zur Ware verkommen und die Ängste der Mittelschicht vor dem sozialen Abstieg unterfüttern. In diesem Sinne ist Nightcrawler auch allgemeiner gefasst ein bitterböser Kommentar zum Zustand der USA. Der Film spiegelt die Ängste, die im Land of the Free grassieren. Vom Aufschwung der Wirtschaft kommt beim Mittelstand nichts an, während die junge Generation sich von unbezahlten Praktika zu schlecht bezahlten Teilzeitstellen hangelt. Der Glaube an den amerikanischen Traum, er hat in den Jahren der Krise schweren Schaden genommen. In Nightcrawler ist daraus längst ein Alptraum geworden.

    Lou Bloom ist die Ausgeburt dieses Alptraums. Jake Gyllenhaal spielt ihn mit irrem Blick, gegelten Haaren und eingefallenen Wangen. Subtil, unmerklich fast wird das Gesicht dieses ungewöhnlich schönen Schauspielers zur Fratze eines Emporkömmlings, der für sein Fortkommen buchstäblich über Leichen geht. Alles an Lou Bloom, der sich als Lügner und Erpresser entpuppt, wirkt unangenehm. Und durch Gyllenhaals Charisma gleichzeitig so magnetisch, dass man sich doch nicht sattsehen kann an ihm.

    Mit Nightcrawler beweist sich der 33-Jährige erneut als einer der spannendsten Filmschauspieler seiner Generation in den USA. Sicher ist es ein Segen, dass Gyllenhaal beim Casting nacheinander als Spider-Man, Batman und Superman abgelehnt wurde. So blieb ihm erspart, sich in öden Superhelden-Spektakeln zu verausgaben. Stattdessen wählte er Projekte mit erzählerischer Ambition und spielte Rollen, die andere Darsteller nicht einmal mit der Kneifzange angerührt hätten. Gyllenhaal war ein schwuler Cowboy in Brokeback Mountain, ein schmieriger Pharma-Vertreter in Love & other Drugs, ein obsessiver Streifenpolizist in End of Watch.

    Regie-Debütant Dan Gilroy, Bruder des Regisseurs Tony Gilroy (Michael Clayton), führt seine zwielichtige Hauptfigur im rasanten Finale nicht etwa einem vermeintlich gerechten Ende zu. Im Gegenteil. Vorteile im täglichen Wettbewerb lassen sich nur durch unlautere Methoden und rücksichtsloses Verhalten erzielen. Diese Diagnose macht Nightcrawler so erschütternd. Und wer den amerikanischen Traum für sich verwirklichen will, sollte nicht nur nicht zimperlich, sondern bestenfalls gleich ein Soziopath sein.

  • Lou Bloom ist ein unangenehmer Zeitgenosse. Er redet in einem fort, er hat kein Gefühl für Distanz, seinem bohrenden Blick weicht man besser aus. Freunde hat er ohnehin nicht, meistens redet er auf Menschen ein, von denen er etwas will. Eine größere Lieferung Maschendrahtzaun, in deren Besitz er sich gebracht hat, verkauft er einem Bauleiter, der mit ihm über diese kleine Hehlerei hinaus nichts zu tun haben will. Doch Lou kennt keine Gnade. Er hält seine Bewerbungsrede, sie klingt, als hätte ihn jemand aufgezogen, und nun rasselt er all das herunter, was einen Menschen heutzutage für einen Platz im Erwerbsleben qualifizieren könnte.

    Ein skrupellos rasender Reporter

    Aber er hat keine Chance. Nicht nur, weil er ein Dieb ist. Lou Bloom hat das Mal, das unsichtbare Erkennungszeichen derjenigen, die auf die Nachtseite des Lebens gefallen sind. Er muss nur noch seine Berufung finden, denn für das Stehlen von Metall ist er auf Dauer ein bisschen überqualifiziert. In Dan Gilroys „Nightcrawler“ ändert sich Lous Schicksal in dem Augenblick, in dem er Zeuge eines Verkehrsunfalls in Los Angeles wird. Er sieht, wie ein Verletzter geborgen wird, er sieht, wie Polizei und Sanitäter um das Leben eines blutenden Menschen kämpfen. Er sieht die Wunden, er sieht das Drama, er spürt, dass es auf Sekunden ankommt. Und er bemerkt, dass da jemand eine Kamera draufhält. Einer jener rasenden Reporter, von denen die lokalen Fernsehstationen sich mit Bildmaterial versorgen lassen.

    Für einen Nachahmungstäter wie Lou ist das die Initiation. Und so werden wir Zeugen einer umstandslosen Unternehmensgründung: eine Videokamera, ein Scanner für den Polizeifunk, das alles im Tausch gegen ein teures Fahrrad, das Lou in einer besseren Gegend von Los Angeles an sich bringt. Jetzt ist er selbst ein „Nightcrawler“, einer, der den nächtlichen Dramen in der großen Stadt hinterherjagt. Einer, der nicht davor zurückscheut, das noch spekulativere Bild zu machen. Natürlich macht Lou Anfängerfehler. Doch schon bald lässt er die Produzenten in den Nachrichtenstudios innerlich jubeln. Jedenfalls die Hartgesottenen. Selbst den Kollegen, die noch ein wenig Skrupel haben, bleibt der Mund offen angesichts der Rücksichtslosigkeit, mit der hier einer die Regeln neu setzt.

    Ein Roboter der Flexibilität

    Im Zentrum von „Nightcrawler“ steht eine der markantesten Schauspielerleistungen, die es im amerikanischen Kino in der letzten Zeit zu sehen gab. Und das liegt nicht daran, dass Jake Gyllenhaal sich für die Rolle des Lou Bloom auf eine ausgemergelte Physiognomie hinuntergehungert hat. Sein Spiel gewinnt die eigentümliche Qualität daraus, dass er uns Lou als einen halben Automatenmenschen zeigt, als einen Roboter der Flexibilität. Nachahmung ist eine der Urformen des Lernens, aber es eignet ihr auch immer etwas Unheimliches, und wenn dieses sich nicht komisch auflösen lässt (in „Nightcrawler“ gibt es keine Sekunde comic relief), dann entsteht eine besondere Spannung. Jake Gyllenhaal, der seit langem durch eine exzellente Rollenwahl überzeugt („Source Code“, „Prisoners“), spielt Lou als einen, der ungreifbar bleibt, wohl auch für sich selbst. Er agiert so besonders geschickt und raubtierhaft, weil er in hohem Maße unauthentisch ist.

    Die „neue Kultur des Kapitalismus“, von der Richard Sennett in seinem Buch „Der flexible Mensch“ sprach, sieht sich hier in einer Karikatur verkörpert, einer Fratze, aus der die Parolen der Selbsthilfe und des lebenslangen Hinterherlernens sprechen, ein ständiges Zuspätkommen, das Lou Bloom dadurch kompensiert, dass er der Polizei und der Rettung zuvorkommt und blutrünstige Bilder macht.

    Eine Kreatur der distanzlosen Medienwelt

    Dan Gilroy, der zuvor Drehbücher geschrieben hat („Chasers“, „The Bourne Legacy“) und nun zum ersten Mal Regie führt, stellt dem Quasi-Zombie Lou Bloom auch eine äußerst plausible weibliche Figur gegenüber: eine ältere Produzentin namens Nina, die um das berufliche Überleben kämpft und der das negative Charisma ihres neuen freien Mitarbeiters viel zu weit geht. Ein gemeinsames Abendessen, zu dem Lou sie mehr oder weniger erpresst, ergibt eine brillante Szene über die Liebe in Zeiten radikaler Vereinzelung.

    Unübersehbar möchte Gilroy sich mit „Nightcrawler“ an den großen Noir-Filmen über Los Angeles messen, an „Heat“ oder an „Collateral“, beide von Michael Mann. Und er schafft es tatsächlich, zugleich einen konventionellen Thriller und eine faszinierende Studie über die porösen Grenzen zwischen Innenleben und Außenwelt zu erzählen. Das Los Angeles, das wir hier zu sehen bekommen, gibt es vielleicht eher auf den Screens in den Fernsehstudios, die in der Rückprojektion hinter den Nachrichtensprechern die eigentliche Realitätsebene ausmachen. Lou Bloom lebt im Bann dieser Fiktionen, und er überschreitet auch deswegen so ungerührt alle Grenzen, weil er sich selbst anscheinend nie abgenabelt hat. Er ist eine Kreatur der distanzlosen Medienwelt, und es ist einmal mehr das Kino, das sich hier als Instanz eines zugleich faszinierten wie reflektierten Blicks auf die Systeme erweist, in die hinein es sich selbst aufzulösen droht.

  • […] Der Film bietet „durch seine unruhige und visuelle Eleganz“ gepaart mit der „geschmeidigen Darbietung von Jake Gyllenhaal einen düsteren, zum Nachdenken anregenden Nervenkitzel“.

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